2010/03/29

Karteileiche

Ein Hauch von Nostalgie. So könnte ich das Gefühl beschreiben, als ich mich heute nach sechseinhalb Jahren wieder in der alten Universitätsbibliothek eingeschrieben habe. Angesichts der bevorstehenden laufenden wissenschaftlichen Arbeit habe ich mich entschieden, dort wieder aufzukreuzen, um mir einige Bücher auszuleihen, die hilfreich sein könnten.
Wobei das „dort“ in diesem Fall bereits ein anderes Gebäude und einen anderen Ort bedeutet, als wo ich vor mehr als sechs Jahren, am vorläufigen Ende meiner Universitätsstudien, meinen Bibliotheksausweis abgegeben habe. Trotzdem hatte ich heute ein komisches, schwer zu beschreibendes Gefühl, als ich dort eintrat. Und  noch mehr, als man mir sagte, ich sei immer noch im System registriert – quasi als eine Art Karteileiche. Da erinnert man sich unweigerlich an manches, was einem dort während der fünf Jahre widerfahren ist, wen man dort getroffen, was man dort gehört hat usw.
Es ist nicht so, dass ich seither in keiner Bibliothek gewesen bin. Nein. Ich bin auch noch in einer anderen Bibliothek eingeschrieben, aber es hat den Anschein,  als ob die ehemalige Universitätsbibliothek doch etwas anderes war und ist. Es waren fünf Jahre, in denen wir dort viel lesen, notieren und kopieren mussten. Oft wünschte man sich, man wäre endlich fertig und weit weg, aber manchmal war es ein Ort, an dem man gerne war. Ein Ort der Stille, wo man nur flüsternd miteinander sprach, wo man sich dem Tohuwabohu der Welt für ein-zwei Stunden entziehen konnte. Und ein Ort, der einem manchmal auch ein Aha-Erlebnis bot und den Startpunkt oder eine wichtige Station von einigen überaus gelungenen wissenschaftlichen Arbeiten bedeutete. Ja, so war es und so wird es immer sein...

2010/03/23

Bühne frei!

Es erinnern sich wohl nur mehr wenige daran, dass ich hier mal in einem kleinen, unscheinbaren Beitrag Anfang September gepostet hatte, nach fünf Jahren wieder die Schulbank zu drücken. Besser gesagt die Universitätsbank, denn ich „mache jetzt den Doktor“. Keine Angst, nichts Weltbewegendes, ich bin schließlich Geisteswissenschaftler. Nun, das ganze läuft sich so langsam warm und zwar derart, dass ich am Donnerstag meinen ersten Vortrag halten werde. Schließlich muss man sich des Öfteren mal dem Publikum präsentieren.
Vor etlichen Jahren hatte ich schon einmal einen ähnlichen Auftritt bei einer Konferenz, jedoch in sehr kleinem Kreis und so ganz ohne theoretischen Hintergrund. Diesmal jedoch werden bei der anstehenden Veranstaltung, an der auch ich als Redner teilnehme, ziemlich viele Leute erwartet, und ich muss in meinen Vortrag einiges an Theorie hineinpacken. Das ganze soll ja ein wenig wissenschaftlich sein und nicht nur einige belanglose praktische Beispiele vor Augen führen.
Der Auftritt soll nur zwanzig Minuten dauern, aber trotzdem ist mir schon jetzt ein wenig bange. Auch, wenn ich aus jahrelanger Erfahrung als Zuhörer weiß, dass die meisten Besucher bei dieser Konferenz den Rednern gegenüber positiv gestimmt sind und – wenn überhaupt – am Ende der Vorträge meist nur ihren eigenen Senf dazugeben und nicht kritisieren wollen.
Nun, wir werden sehen, wie das ganze für mich läuft, aber ihr könnt mir am Donnerstag zumindest die Daumen drücken, wenn ihr wollt. Schaden wird es sicherlich nicht!

2010/03/17

Frühling in Budapest

Nach 2005 hatte ich gestern Abend die Möglichkeit, die sechs Jungs von Rammstein, die mit ihrer neuen Platte Liebe ist für alle da in der ungarischen Hauptstadt gastierten, das zweite Mal live zu erleben.
Über das neueste Werk hatte ich ja bereits früher ausführlich berichtet, und gestern konnte ich mich davon überzeugen, dass die neuen Songs ihre Wirkung auch live nicht verfehlen. Von den elf Liedern des Albums wurden an diesem Abend gleich acht zum Besten gegeben, darunter auch die wunderschöne, bombastische Ballade Frühling in Paris. Daneben fehlten natürlich auch alte Klassiker nicht, wie Sonne, Du hast und Engel. Zudem gab es ein-zwei große Überraschungen, wie Du riechst so gut und Weißes Fleisch, beide von der ersten, bereits fünfzehn Jahre alten Platte der Band.
Neben dem musikalischen Hochgenuss, der etwa eindreiviertel Stunden dauerte, kamen natürlich auch diejenigen nicht zu kurz, die nur Blut Feuer sehen wollten und alleine wegen der Show in die Halle gepilgert waren. Wie gewohnt wurde von Rammstein reichlich Pyrotechnik eingesetzt, und auch das sich während des Auftritts ändernde Bühnenbild war beeindruckend. Keyboarder Flake nahm – wie üblich – in einem Gummiboot auch ein Bad in der Menge, und Sänger Till beglückte uns erneut, wie schon 2005, mit einigen ungarischen Dankesworten.
Bei einem solchen Oevre, wie das von Rammstein, gibt es immer Lieder, die leider auf der Strecke bleiben müssen, und die man im Nachhinein gerne live gehört hätte, aber insgesamt war es ein überaus gelungener Abend, und wir dürfen angesichts der insgesamt achtzehn Songs, die gestern gespielt wurden, keinesfalls ungenügsam sein. Vielmehr hoffe ich auf ein baldiges Wiedersehen. Ich will!

2010/03/13

Spring!

Manchmal kommen einem auch komische Gedanken... wer die versteht!? Heute habe ich mir nämlich überlegt, was denn mit all den Menschen passiert, die regelmäßig bei uns in der Stadt (und auch anderswo) zum Beispiel auf Brücken klettern. Nicht, um wirklich zu springen, nein. Es heißt ja immer, sie wollen nur ein bisschen Aufmerksamkeit, sie möchten nur, dass man ihnen hilft, auf sie achtet, sie ernst nimmt.
Da wird dann in den Medien oft schon parallel zum Vorfall ein großes Trara veranstaltet, Fernsehteams und Zeitungsredakteure samt Fotografen rücken an und berichten häufig sogar live über das Ereignis. Bange Minuten, manchmal sogar Stunden vergehen, bis es dann meist mit Hilfe eines Fachmanns gelingt, den Kandidaten davon zu überzeugen, er möge bitte wieder herunterkommen und nicht springen.
Eine interessante Frage wäre sicherlich auch, mal einen solchen Psychologen (falls dieser Job überhaupt von Psychologen gemacht wird) zu fragen, was er diesen armen Menschen da oben erzählt, was er ihnen alles verspricht, bzw. auf welche Weise er auf sie einredet, um sie vom Sprung abzuhalten. Die Frage, die mir aber heute unerklärlicher Weise in den Sinn kam, war eine andere: Was passiert mit diesen Menschen, nachdem sie freiwillig wieder runterkommen, oder runter gebracht werden?
Polizei, Feuerwehr und Rettung ziehen von dannen, der Kandidat wird sicherlich in die Psychiatrie oder eine ähnliche Institution eingeliefert. Und dann? Werden Tests durchgeführt, die den Fachleuten zeigen, ob er wieder entlassen werden kann? Lassen sie ihn, falls diese negativ ausfallen, sofort gehen? Oder bleibt er einige Tage unter Beobachtung? Wird er womöglich gleich für immer weggesperrt? Treffen wir vielleicht Tag für Tag auf der Straße auf solche Menschen, auch wenn uns das nicht bewusst ist?
Fragen über Fragen, die mir da heute durch den Kopf geschossen sind. Ich glaube, ich sollte nicht so viel nachdenken, sondern stattdessen etwas Nützlicheres machen.

2010/03/06

Bis zum bitteren Ende

Eines meiner Lieblingsbücher ist Herr der Fliegen von William Golding. Der Roman, den ich in diesen Tagen beendet habe – ein Weihnachtsgeschenk vom Dezember des letzten Jahres – wird von Literaturkritikern auch Herr der Fliegen des 21. Jahrhunderts genannt. Er trägt den Titel Battle Royale und stammt aus der Feder des japanischen Schriftstellers Koshun Takami.
Solch eine Parallele ist nicht immer sehr glücklich – weder für den Autor, noch für den Leser. Man könnte befürchten, dass das Werk eventuell einfach das große Original kopiert, nachahmt. Dem ist aber in diesem Fall zum Glück nicht so. Auch die Parallele mit dem Roman Todesmarsch von Stephen King ist durchaus berechtigt, aber auch in diesem Fall handelt es sich nur um einige gemeinsame Elemente in der Handlung.

Der 1999 erschienene Roman spielt in einem alternativen Japan der Zukunft. Hier wird jedes Jahr eine bestimmte Schulklasse einer bestimmten Schule ausgewählt, um am Battle Royale auf einer vorher evakurierten Insel teilzunehmen. Jeder Schüler erhält eine Tasche mit Lebensmitteln, eine Karte der Insel und eine zufällig ausgewählte Waffe. Das Ziel des makabren Spiels – das eigentlich todernst ist – ist einfach: Es kann nur einen geben. Die Schüler müssen sich also gegenseitig töten, wenn sie überleben wollen.
Dabei gibt es stets wechselnde Bereiche auf der Insel, wo sie sich nicht aufhalten dürfen, um sich nicht bis zum Schluss verstecken zu können. Verstoßen sie gegen diese Regel, so explodiert ein ihnen umgelegtes Halsband. In regelmäßigen Zeitabständen werden sie über die Opfer und diese gefährlichen Bereiche informiert. Zudem muss alle paar Tage jemand von den Schülern umgebracht werden, damit nicht alle von der Regierung getötet werden.

Diese oben beschriebenen Regeln fassen das dystopische – also anti-utopistische – Szenario gut und knapp zusammen. Was danach folgt, ist ein Wettlauf mit dem Tod und äußerst spannend zu lesen. Nach und nach lernen wir die Teilnehmer kennen – manchen bleiben im wahrsten Sinne des Wortes nur Minuten im Spiel –, erfahren ihr Schicksal und wer ihre Freunde und Feinde sind. Zudem bietet die Situation dem Autor auch die Möglichkeit, die verschiedenen Gedanken der Schüler und das Dilemma aufzuzeichnen, das sich in den Köpfen der meisten von ihnen abspielt.
Die sich stufenweise aufbauende Spannung erreicht dann gegen Ende des Buches den Höhepunkt. Zum Glück hat der Autor ein Ende gewählt, das mir gut gefallen hat und den Roman nicht ruiniert. Deshalb kann ich das Werk all jenen getrost empfehlen, die neben einer actionreichen Handlung auch Psychothriller-Elemente bevorzugen und vor den zahlreichen blutigen Szenen im Buch nicht zurückschrecken. Ein bisschen verwirrend fand ich nur die vielen japanischen Namen, die sich einander teilweise sogar ähneln und für das europäische Auge somit ein bisschen problematischer sind.

2010/03/04

Horror vacui

Heute habe ich wieder einmal ein Buch beendet. In den nächsten Tagen wird natürlich ein üblicher kurzer Bericht darüber folgen, aber diesmal schreibe ich wegen einer anderen Sache. Denn ich habe heute diesbezüglich wieder einmal etwas an mir selbst bemerkt, was mir schon einige Male aufgefallen ist.
Es handelt sich um die Tatsache, dass ich, nachdem ich ein Buch beendet habe, in den meisten Fällen noch am selben Tag mit der nächsten Lektüre beginne. Auch, wenn ich in den darauf folgenden Tagen vielleicht nicht viel im Buch lese, reizt es mich irgendwie, mit dem nächsten Werk anzufangen und einige Seiten daraus zu lesen. Oft male ich mir natürlich schon beim Lesen des ersten Buches aus, welches literarische Werk ich mir als nächstes vorknöpfen will, aber es kam auch schon mal vor, dass ich aus dem Stegreif entschieden habe – aber trotzdem nur Minuten oder ein-zwei Stunden nach Beendigung der ersten Lektüre.
Eine komische Angewohnheit von mir, muss ich schon sagen. Hängt es mit der Angst vor der Leere zusammen – eine Art Horror vacui sozusagen? Beruhigt mich vielleicht unterbewusst die Tatsache, dass auf dem Sofa oder dem Tisch ein Buch liegt, das ich bereits angefangen habe und nicht mehr grübeln muss, was ich als nächstes lese? Keine Ahnung. Das ganze ist auch deshalb interessant, weil es durchaus mal Phasen in meinem Leben gibt, in denen ich kein Buch lese. Zugegeben, das kommt nicht oft vor und diese Phasen dauern auch nicht allzu lange, aber trotzdem.
Vielleicht bin ich aber nicht der einzige, der diese schlechte Angewohnheit hat. Wie sieht es denn bei euch diesbezüglich aus?